Nach der Motivation 45 Marathons zu laufen
Der Initiator des Lauf- und Charityprojekts 19/19 Anthony Horyna hat es am 10. September geschafft: Er ist 45 Marathons gelaufen, um auf die Tabuthemen Depression und Suizid aufmerksam zu machen. Wie er mit seinem Projekt motiviert, inspiriert und Mut gemacht hat, erzählt er hier im Recap nach den 45 Marathons.
Wie geht es Dir seelisch und körperlich nach 45 Marathons?
Super. Kann ich nicht anders sagen. Körperlich habe ich bis auf kleinere Verspannungen nix davon getragen von den 45 Marathons. Seelisch war das ganze Projekt unglaublich bereichernd. So viele tolle Begegnungen und Momente. Das ist schon was ganz Besonderes, dass ich da erleben durfte.
Welcher Marathon ist Dir besonders im Gedächtnis geblieben?
Oh das kann ich so gar nicht sagen. Denn jeder einzelne Lauf war in der Tat etwas Besonderes. Am stärksten indes bleiben die Läufe bei denen Mitläufer über ihre eignen Grenzen gegangen/gelaufen sind. So hatte ich diverse Male das Vergnügen, Läufer bei ihren ersten Marathondistanz überhaupt begleiten zu können. Und manche davon sogar auf ihre ersten Ultradistanzen (also über die 42 Km hinaus).
Das sind ganz besondere Läufe und damit Begegnungen gewesen.
Gab es einen der besonders anstrengend war bzw. einen der Dir super leicht gefallen ist?
In der Retrospektive schwierig zu beantworten. Eigentlich fiel keiner als besonders anstrengend oder leicht auf. Aber jeder war in sich ganz eigen und besonders. Sei es durch Mitläufer, sei es durch Landschaft und Höhenmeter. Manchmal auch durch Wetter. Da war von Hitze bis stundenlangem Regen alles dabei.
Jeder Marathon war wirklich eigen und unterschiedlich. Gemein war aber allen, dass ich sie gelaufen bin. Dass sie die Aufgabe waren. Die „Herausforderung“. Aber auch das Privileg. So waren die einzelnen Marathons nicht nur Schritte auf einem längeren Weg, sondern der Weg selbst. Jeden Tag aufs Neue.
Welche Menschen hast Du während Deiner Läufe getroffen?
Bei den Mitläufern ganz unterschiedliche Typen. Mit ganz unterschiedlichen und eigenen Geschichten. Auch mit ganz eigenen Gründen mitzulaufen. Da waren Menschen mit eigener Historie in Bezug auf Depressionen. Menschen, die die Sache und das Thema so wichtig fanden, dass sie es unbedingt unterstützen wollten und auch Menschen, die einfach auch Lust hatten uns zu begleiten und mit uns zu laufen.
Auch vom Alter her alles dabei. Von den Anfang 20-Jährigen bis hin zu Mit-60-Jährigen. Laufanfänger bis Veteranen. Von Sprintern bis Ultradistanzläufern. Auch sonst sind wir unterschiedlichsten Menschen begegnet. Vom Förster mitten im Wald über die Fernwanderin aus Österreich bis hin zu Menschen, die auf Campingplätzen auf uns aufmerksam wurden (da wir ein relativ aufmerksamkeitsstarkes Dachzelt für unser Fahrzeug hatten). Und mit allen immer wieder auch Gespräche darüber was und warum wir das hier machen.
Wie haben die Menschen auf Dein Projekt reagiert?
Ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass es durchweg nur positive Resonanzen auf das Projekt 19/19 und die Hintergründe gab/gibt. Viele davon neugierig, aufrichtig interessiert und auch unterstützend. Und sobald klar wurde, warum das Ganze passiert auch immer wieder offen.
Welche Gespräche habt Ihr geführt? Konntet Ihr offen über Depression und Suizid reden?
Sehr offene Gespräche. Mitläufer aber auch Gesprächsbegegnungen am „Wegesrand“, also vor oder nach den eigentlichen Läufen, unglaublich offen mit ihren eigenen Geschichten und Berührungspunkten mit den Themen Depression und auch Suizid. Sei es aus der eigenen Historie oder aber auch durch Berührungspunkte aus unmittelbaren Bekannten-, Freundes-, Familienkreis.
Was nimmst Du aus diesen Begegnungen mit?
In der Hauptsache, dass wenn du offen auf Menschen zugehst sie dir ebenso offen begegnen. Das fand ich unglaublich schön. Da waren gerade bei den Themen Depression und auch Suizid so viele tolle und bereichernde Begegnungen. Diese Begegnungen zeigten aber auch, wie stark verortet die Themen sind. Wie viele Menschen unterschiedlichster Couleur damit entweder in Berührung gekommen sind oder aber auch selbst betroffen sind. Und ich meine damit nicht ausschließlich Menschen, die explizit ihren Weg zu uns und dem Projekt 19/19 gefunden haben, sondern auch und vor allem die Zufallsbegegnungen und Treffen am Wegesrand.
Konntest Du auf ungewöhnliche Art und Weise auf die Tabuthemen aufmerksam machen?
Ich denke schon, dass uns das mit dem Nonstop-Lauf durch Deutschland gelungen ist. Der Lauf öffnete schon auch die Tür zu Gesprächen. Aber auch zur medialen Aufmerksamkeit. So zeigten sich ja auch diverse Zeitungsredaktionen aber auch TV-Sender am Lauf und schlussendlich auch am Grund für den Lauf interessiert und berichteten darüber. Und ja, der Lauf war schon ein „Door-Opener“ um mit „Fremden“ über die Themen Depression und auch Suizid zu sprechen.
Konntest Du motivieren? Und wie und für was hast Du motiviert?
Gute Frage. Was Motivation selbst betrifft: mich und uns erreichten während des Laufs Nachrichten und Zuschriften, die durchaus den Schluss zulassen, dass wir Menschen dazu motiviert haben, selbst etwas anzugehen. Nicht unbedingt den täglichen Marathon (denn darum ging es ja nie), sondern selbst etwas anzugehen. Etwas (und sei es auch noch so klein in der eigenen Wahrnehmung) zu ändern am persönlichen Ist-Zustand. Sich also „Herausforderungen“ zu stellen und sie immer wieder anzugehen.
Bei den Läufen selbst konnten – vielmehr durften – wir mehrere Menschen dabei begleiten weit über das zu laufen, was sie sich für sich selbst vorstellen konnten. Da sind Menschen echt „über sich hinausgewachsen“. Das war schon ganz irre bewegend da ein Teil davon sein zu dürfen. Da waren Läufer, die zum ersten Mal 10 Km mit uns gelaufen sind am Stück. Läufer, die ihre ersten Marathons mit uns gemacht haben. Und auch Menschen, die teils weit über den Marathon gelaufen sind und das auch zum allerersten Mal.
Konntest Du inspirieren? Und wie und für was hast Du inspiriert?
Das ist eine schwierige Frage und kann eigentlich nur von den Menschen beantwortet werden, denen wir begegnet sind. Ich hatte und habe aber das Gefühl, dass wir schon einige berühren konnten. Inwieweit das, was wir mit Projekt 19/19 gemacht haben, andere dazu inspiriert, selbst etwas anzugehen, oder etwas ähnliches zu machen, kann ich leider nicht beantworten.
Konntest Du Mut machen? Und wie und für was konntest Du Mut machen?
Das hoffe ich sehr. Denn auch das wollte und will Projekt 19/19 ja aufzeigen. Dass wir immer wieder an den „Start“ gehen sollten. Ganz gleich, wie schwierig es uns erscheinen mag. Ganz gleich, wie schwierig der Tag zuvor war. Ganz gleich, welchen „Herausforderungen“ wir uns gegenüberstehen sehen oder wähnen. Und dass es keine schnelle Abkürzung gibt. Sondern dass im Lauf wie im Leben gilt: Schritt für Schritt.
Ich bin 45 Marathons an 45 Tagen hintereinander gelaufen nicht weil das einfach ist. Sondern weil es schwierig ist. Weil viele es vorher für nicht machbar erklärt hatten. Weil es wichtig war und ist. Und ich hoffe sehr, dass – und sei es auch „nur“ ein/e Einzige/r – jemand das Projekt 19/19 mitbekommen hat und dadurch vielleicht auch für sich den Mut und die Kraft findet weiterzumachen. Schritt für Schritt. Immer wieder. Und jeden Tag.