Zuhören ist Silber, Reden ist Gold
Mein Name ist Kiki, ich bin 27 Jahre alt und 2012 diagnostizierte man bei mir eine mittelschwere Depression, die ich stationär behandelte. Besonders in dieser Zeit aber auch den darauffolgenden ambulanten Therapien lernte ich, wie essentiell Sprechen für den Heilungsprozess der Seele ist.
Alles beginnt mit einem Gespräch
Ich war immer schon Mrs. Happy Face. Ich habe die Probleme von anderen gelöst, selbst hatte ich keine. Das dachten zumindest die anderen, weil ich sehr wenig über meine eigenen gesprochen habe. Bis kein Weg mehr daran vorbeiführte. Bis ich bei meiner allerersten Therapeutin saß und sie mich bat, einfach mal drauf los zu reden.
Lebenslage, Gefühlswelt, Gedankengänge. Sie wollte alles wissen. Aber natürlich schoss ich nicht gleich drauf los, nur häppchenweise servierte ich ihr mein Leben mit 21. Und sie hörte zu. Saß dort, schweigend, eine Tasse selbstangebauten Kräutertee in den Händen und lauschte meinem Wort-Wirrwarr. In diesem Moment spürte ich einen der vielen Knoten platzen.
Denn meine ins Unermessliche gestiegene Angst, meine Zuhörer könnten mich nicht verstehen, mich auslachen, mich für verrückt erklären, die war umsonst gewesen. Völlig verschwendete Lebenszeit. Die Therapeutin lachte nicht. Sie verzog auch nicht ungläubig das Gesicht oder schaute ungeduldig auf die Uhr. Sie nickte nur gelegentlich und strahlte Wärme und Verständnis aus.
Wenn man nichts zu sagen hat…
… dann darf man ruhig die Klappe halten. Denn es geht bei dieser Art von Gesprächen, in denen dir jemand sein Herz ausschüttet, ganz egal ob Patient/in oder Freund/in, nicht darum, immer etwas zu erwidern.
Man braucht keinen Zauberspruch, um dem anderen das Gefühl zu geben, dass seine Worte gut aufgehoben sind. Man zeigt es durchs Zuhören. Durch Signale wie ein leichtes Nicken, eine drückende Hand, einen Arm um die Schultern.
Auch das ist Kommunikation, all dies zeigt dem Gegenüber, dass sie oder er erhört wird und mit ihren oder seinen Ängsten nicht alleine ist.
Ehrlichkeit währt am Längsten
Auch nach sieben Jahren fällt es mir manchmal noch schwer, mich mitzuteilen. Oft brauche ich einige Zeit, um mein Gefühlsleben zu sortieren und dann noch die passenden Worte zu finden. Der Unterschied zu früher ist, dass ich das mittlerweile auch so kommuniziere. Ich sage dann „Mir geht es momentan nicht gut, ich kann es aber noch nicht verständlich ausdrücken. Sobald es geht, werde ich dir davon erzählen.“
Meinen Liebsten hilft das ungemein, denn auch ohne klaren Grund sind das Dinge, die sie nachvollziehen können. Und wenn sie mir sagen „Ich verstehe deine Sorgen nicht, aber ich bin trotzdem für dich da.“ dann hilft mir das mehr, als ein abgedroschenes „Das wird schon wieder!“ weil sie sich nicht trauen, die Wahrheit zu sagen.
Mut wird belohnt
Natürlich bin auch ich schon an empathische Totalausfälle geraten und nicht alle Menschen schaffen es, offen und ehrlich zu kommunizieren. Aber ich versuche seit meinem Klinikaufenthalt 2012 als gutes Beispiel voran zu gehen und werde viel öfter für meine Offenheit belohnt als wegen ihr enttäuscht.
Es ist ein Lernprozess für alle Beteiligten und nichts funktioniert von jetzt auf gleich. Aber bleibt mutig! Teilt eure Sorgen und Ängste miteinander, hört euch zu, versucht zu verstehen. Und wenn man es nicht versteht, dann ist das Mindeste, das man tun kann, zu akzeptieren.
Denn Akzeptanz schafft Gemeinschaft und Menschen mit Depressionen brauchen gemeinschaftlichen Halt. Wir brauchen alle gemeinschaftlichen Halt.
Auf Kikis Blog Lachen lohnt sich findet Ihr weitere Texte und Videos, in denen Kiki von ihrem „Drachenkampf“ – wie sie den Weg aus ihrer Depression nennt – berichtet.