Innere Leere – Wenn die Gefühle sich verabschieden
Depressionen werden oft mit Traurigkeit gleichgesetzt. Dabei erleben viele Menschen mit depressiven Beschwerden häufig ein Gefühl der inneren Leere. Die Mimik erstarrt, die Bewegungen fallen schwer und über allem liegt eine bleierne Schwere. Nicht mal weinen geht mehr. An anderen Tagen fühlt sich die innere Leere ruhelos an, man zweifelt an sich selbst, fühlt sich unvollständig und sucht nach etwas, das die Leere füllt. Dr. Alena Rentsch von HelloBetter gibt Tipps gegen das Gefühl, an manchen Tagen wie ausgebrannt zu sein.
Innere Leere kann viele Gesichter haben
Innere Leere kann viele Gesichter haben: Manchen fühlen sich von ihren Gefühlen und Bedürfnissen abgeschnitten. Manchen fehlt auch das Gefühl zu wissen, wer sie sind und was sie wollen. Andere erleben innere Leere als eine tiefe Sehnsucht und Einsamkeit.
Wie ein “schwarzes Loch” scheint die innere Leere alles aufzusaugen und im Nichts verschwinden zu lassen. Bei dem Versuch die innere Leere zu füllen, tun wir viel um dieses Loch zu stopfen.
Manche versuchen der inneren Leere aus dem Weg zu gehen, indem sie ihren Tag mit vielen Terminen füllen, keine Minute alleine verbringen und immer unter Strom stehen. Andere essen unkontrolliert, trinken zu viel Alkohol oder nehmen Drogen, verfallen in einen Kaufrausch oder verlieren sich im Internet.
Die innere Leere stopfen
Was vielen über die Zeit schmerzhaft bewusst wird: Diese Versuche, die innere Leere zu stopfen, reichen nicht aus und führen oft langfristig dazu, dass das schwarze Loch noch größer wird.
Innere Leere ist also immer ein Zustand des Mangels. Es fehlt oft an Aufmerksamkeit, Zuwendung, Bedeutung oder Bindung mit Menschen, die einem wichtig sind. Zu wissen, an was es fehlt, gibt uns die Möglichkeit genau diese Löcher zu füllen. Und das können wir lernen.
Leider habe ich keine Ahnung von schwarzen Löchern, aber ich habe mal irgendwo gelesen, dass der Ring um das schwarze Loch funkelt. Wenn wir also lernen genug Abstand vom schwarzen Loch zu halten, können wir das Funkeln betrachten ohne fürchten zu müssen verschluckt zu werden.
Was wir gegen die innere Leere tun können
#1 Aufmerksamkeit – Auf sich Acht geben
Der erste Schritt ist sich selber wieder wahrzunehmen. Indem wir auf unsere Gefühle achten, auch die unangenehmen oder die vermeintliche Abwesenheit von Gefühlen, können wir lernen, was wir brauchen und wonach wir suchen.
Vielleicht fehlt es uns, mehr nach unseren Bedürfnissen zu schauen? Vielleicht fehlt uns, etwas zu machen, das für uns eine Bedeutung hat? Vielleicht fehlt uns auch etwas Wichtiges in unseren Beziehungen?
Wenn wir lernen, selber mehr auf uns Acht zu geben, können wir lernen, wieder bewusster wahrzunehmen, was wir möchten und was wir nicht möchten. Was uns gut tut und was wir lieber sein lassen sollten.
#2 Zuwendung – Zufriedenheit finden
Wenn wir lernen uns besser zu beobachten, können wir auch herausfinden, was uns im Leben wirklich wichtig ist. Eine schöne Übung dazu ist die “Wheel of Life” Übung.
Um dir einen Zufriedenheits-Überblick zu verschaffen kannst du dir verschiedenen Bereiche deines Lebens, die für dich wichtig sind, zum Beispiel Arbeit/Studium/Schule, Liebe und Partnerschaft, Familie und Freundschaft, Hobbys, Umfeld und Wohnung, Zeit für mich, mal genauer anschauen.
Zeichne einen Kreis und schreibe die verschiedenen Bereiche an den äußersten Rand. Sieh Dir die verschiedenen Bereiche nacheinander an und vergebe Nummern von 1-10. Je nachdem, auf welcher Position Du Dich im jetzigen Moment befindest. Die 1 steht hierbei für sehr unausgeglichen und die 10 bedeutet: Besser geht’s nicht.
Zum Schluss schau dir alle Bereiche genauer an und überlege, wie du deine Zufriedenheit verbessern kannst. Was stört dich? Wodurch würdest du zum Beispiel von einer 4 auf eine 6 kommen? Was müsstest du verändern, um zufriedener zu sein?
#3 Bedeutung – Neue Wege gehen
Um deine Zufriedenheit zu erhöhen und deinem Leben mehr Bedeutung zu geben, kannst du dir auch neue Herausforderungen suchen.
Etwas Neues lernen, ehrenamtliches Engagement, die Umsetzung einer Idee oder eines Projekts, das dir wichtig ist. Nur mit Dingen, die uns etwas bedeuten, können wir der inneren Leere etwas sinnvolles entgegensetzen.
#4 Bindung – Sich verbinden und verbunden fühlen
Um sich gesehen und verstanden zu fühlen, ist es wichtig, dass wir uns mit Menschen umgeben, denen wir vertrauen und die uns gut tun. Überlege einmal: Wer sind diese Menschen in deinem Leben?
Im nächsten Schritt kannst du dann Ideen sammeln, wie du mit diesen Menschen Zeit verbringen kannst. Weitere Ideen dazu, findest du auch in den Blogbeiträgen zu Balance in Beziehungen und Sprecht miteinander.
Soforthilfe für innere Leere
Innere Leere kann auch mit einer inneren Anspannung einhergehen. In solchen Momenten kann es helfen, diese innere Anspannung zu reduzieren. Eine der hilfreichsten Methoden ist es, sogenannte Skills einzusetzen.
Skills sind jede Verhaltensweisen, die kurzfristig Anspannung reduzieren, aber langfristig nicht schädlich sind. Sie helfen uns dabei, uns abzulenken – ohne dabei weitere Probleme zu verursachen. Skills lassen sich in vier Kategorien einteilen:
Sinne: Kalt duschen, saure Bonbons lutschen, Chilischoten kauen oder etwas anderes sehr scharfes essen, Musik hören, Igelball, Gummiband oder Haarband am Arm tragen, ziehen und loslassen.
Gedanken: Kreuzworträtsel lösen, programmieren, lesen, rückwärts zählen (Mache es dir schwer und zähle in Dreierschritten rückwärts von 101.).
Handlung: Sport machen, Freund*innen anrufen/treffen, etwas schreiben, spazieren gehen.
Körper: Ruhig atmen, Yoga machen, Entspannungsübung, ein Bad nehmen.
Bei manchen Menschen funktionieren sinnesbezogene Skills besser, bei anderen gedankenbezogene Skills. Wichtig ist, verschieden Sachen auszuprobieren bis man etwas gefunden hat, das einem wirklich hilft.
Manchmal braucht man auch mehrere Skills nacheinander – dann spricht man von einer Skillskette. Wichtig ist auch zu wissen, dass Skills eine Akuthilfe sind, aber das Gefühl der inneren Leere nicht langfristig verändern können. Dazu kannst du dir die anderen Strategien anschauen.
Bei manchen kann die innere Leere als so belastend erlebt werden, dass es hilfreich sein kann, sich professionelle Unterstützung zu suchen. Gerade wenn man die Vermutung hat, womöglich unter einer Depression, Angststörung, Borderline Persönlichkeitsstörung oder Abhängigkeit zu leiden, sollte man sich unbedingt Unterstützung durch eine bzw. einen Expert:in suchen.
Erfahrene Psycholog:innen kennen sich gut mit dem Gefühl der inneren Leere aus und können den Ursachen auf den Grund gehen, sowie helfen Lösungen zu finden besser mit diesem Zustand umzugehen.