„The same procedure as every month“ – Wie PMDS meinen Alltag beeinflusst
Julia Breuer, die Verfasserin dieses Gastbeitrags, ist selbst Betroffene von PMDS. Hier schildert sie ihre Erfahrungen mit der Krankheit, wie sie davon in ihrem Alltag eingeschränkt ist und teilt Tipps für einen besseren Umgang damit. Denn leider wissen nach wie vor viele – auch Expert:innen – kaum über PMDS Bescheid, was eine Diagnose schwierig macht und für Betroffene den Leidensdruck erhöht.
Wie PMDS meinen Alltag beeinflusst
Heute noch energiegeladen, voller Tatendrang und Lebensfreude, am nächsten Tag sind Symptome wie Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, körperliche Erschöpfung und selbstabwertende Gedanken vorherrschend. Als ob jemand aus dem Nichts den Schalter umlegt: So in etwa fühlt sich das an, was sich dann monatlich wiederholt.
Erst vor etwa sieben Jahren ist mir aufgefallen, dass diese extremen Schwankungen mit meinem Zyklus zusammenhängen. In der zweiten Zyklushälfte fühle ich mich bis zu zwei Wochen so, als ob ich mich in einer depressiven Phase befinde. Ich bin weniger leistungs- und manchmal gar nicht arbeitsfähig, was die PMDS-bedingten selbstabwertenden Gedanken nur noch weiter verstärkt. Sobald meine Periode vorbei ist, bin ich ein neuer Mensch, voller Energie, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein.
Inzwischen weiß ich, dass es für diese Schwankungen einen Namen gibt: PMDS
(= Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS); im Englischen Premenstrual Dysphoric Disorder (PMDD)).
Viele Menschen sind betroffen
Der Großteil (etwa 80%) der menstruierenden Menschen haben kurz vor oder während der Periode zyklusbedingte Beschwerden, wie eben Stimmungsschwankungen, Brustspannen, Kopfschmerzen, Bauchkrämpfe, Wassereinlagerungen oder Verdauungsprobleme. Diese Symptome, bekannt unter PMS (= Prämenstruelles Syndrom), sind meistens recht mild, sodass sie gut behandelt werden können.
Etwa 5,5% der Menstruierenden leiden jedoch unter PMDS, einem eigenständigen Krankheitsbild, welches als schwerste Form von PMS gilt. PMDS ist keine psychische, sondern eine gynäkologische Erkrankung, die neurobiologische Ursachen hat. Oder anders ausgedrückt: Bei von PMDS Betroffenen reagiert das Gehirn verändert auf die hormonellen Schwankungen im Zyklus, was vor allem psychische Symptome zur Folge hat. Diese Symptome sind so drastisch, dass sie sehr belastend für die Betroffenen sind und ihren Alltag teilweise extrem einschränken.
Was ist für eine PMDS-Diagnose nötig?
Für eine offizielle PMDS-Diagnose müssen mindestens fünf der nachstehenden Symptome für mehr als zwei Zyklen vorhanden sein:
- Veränderung in Stimmung und Emotionen (z.B. Stimmungsschwankungen, plötzliche Traurigkeit oder Weinen, starke Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung)
- Reizbarkeit, Ärger oder Wut und vermehrte Konflikte mit anderen vor der Periode
- Depressive Verstimmung, Gefühle von Hoffnungslosigkeit, Wertlosigkeit oder Schuld, suizidale Gedanken vor der Periode
- Ängste, Anspannung, Unruhe oder Nervosität
- Desinteresse an normalen Aktivitäten (Arbeit, Schule, Freunde, Hobbies, Selbstpflege)
- Konzentrationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten sich zu fokussieren oder klar zu denken
- Müdigkeit oder wenig Energie, Antriebslosigkeit
- Veränderungen des Appetits, Heißhungerattacken, Überessen/Binging
- Gefühle von Überwältigung und Kontrollverlust
- Schlafstörungen – übermäßiger Schlaf oder Schlaflosigkeit
- Körperliche Symptome wie empfindliche Brüste oder Brustspannen, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Aufgeblähtheit oder Gewichtszunahme
(Quelle: https://pmds-hilfe.de/)
Weiterhin charakteristisch für PMDS ist, dass die Symptome nicht durchgängig vorhanden sind, sondern in der zweiten Zyklushälfte, (ca. 7 bis 14 Tage vor der Periode) gefühlt aus dem Nichts auftreten und innerhalb der ersten Tage der Regelblutung genauso schlagartig wieder verschwinden.
Deshalb ist es so wichtig, die Symptome über mindestens zwei Menstruationszyklen hinweg täglich nachzuverfolgen. Dies ist bisher übrigens auch der einzige Weg zu einer offiziellen PMDS-Diagnose.
Selbstbeobachtung als Betroffene
PMDS-Symptome können bereits mit der ersten Regelblutung auftreten. Nicht selten verschlimmern sich die Symptome durch hormonelle Veränderungen (z.B. durch Schwangerschaft, Geburt, Fehlgeburt, Absetzen der Pille oder Wechseljahre). Bei mir war es der Beginn der Perimenopause und die damit einsetzenden hormonellen Veränderungen, die die PMDS-Symptome extrem verstärkt haben.
Im Schnitt dauert es bis zu 12 Jahre bis Betroffene die richtige Diagnose erhalten bzw. erkennen, dass die Symptome auf PMDS hinweisen. Das liegt zum einen daran, dass Betroffene die extremen Stimmungswechsel ohne genaues Tracking und Wissen um die Krankheit oft selbst nicht nachvollziehen können. Zum anderen ist PMDS als offizielle Diagnose erst seit 2022 im ICD-11 gelistet: Viele Ärzt:innen, Gynäkolog:innen, Psycholog:innen, Psychiater:innen, Endokrinolog:innen haben schlicht noch nie davon gehört.
Aus eigener Betroffenheit ist es mir ein großes Anliegen, dass über dieses Thema aufgeklärt wird, so dass Betroffene ihre Symptome besser einordnen können, sich dadurch besser verstanden fühlen und nicht in eine zusätzliche Spirale der Selbstabwertung geraten. Und natürlich dass sie sich entsprechende Unterstützung suchen können.
Tipps zur Selbsthilfe
Zu wissen, was mit mir los ist, hat zwar nicht meine Symptome gelindert, es hat mich jedoch wieder mehr in meine Selbstermächtigung geführt. Ich führe bspw. nach wie vor regelmäßig ein Zyklustagebuch (https://pmds-hilfe.de/zyklustagebuch/) und weiß inzwischen, wann ich wieder mit den entsprechenden Phasen rechnen kann. Allein das hilft mir, weniger in die Selbstabwertungsschleife zu rutschen und liebevoller mit mir umzugehen bzw. diese Phasen entsprechend oder ggf. anders zu planen.
Dadurch, dass ich selbst zur Expert:in meiner Symptome geworden bin, war es mir auch möglich, mir zielgerichtet Hilfe zu suchen. Auch wenn es (noch) nicht viele Spezialist:innen dafür gibt – es gibt sie (siehe z.B. https://pmds-hilfe.de/spezialistenverzeichnis/).
Außerdem finde ich es extrem wichtig, dass ein Bewusstsein in der Gesellschaft (bei Partner:innen, Kolleg:innen, Arbeitgeber:innen und natürlich auch Ärzt:innen und der Politik) darüber geschaffen wird, dass es sich bei PMDS um eine ernstzunehmende Krankheit handelt. Gendermedizin bzw. frauenspezifische Krankheiten (wie z.B. PMDS, Endometriose, etc.) benötigen definitiv mehr Sichtbarkeit und Forschung.
Danke „Freude fürs Leben“, fürs liebevolle Anschubsen, dass ich diesen Gastbeitrag schreibe. Ich hoffe, dass ich dadurch zu dieser öffentlichen Bewusstheit beitragen und Betroffenen etwas Zuversicht geben kann: Wir sind nicht allein (siehe z.B. https://pmds-hilfe.de/pmds-selbsthilfegruppen/)!
Weiterführende Informationen
https://iapmd.org/ (englischsprachige Website)
Buchempfehlung
Dorn/Schwenkhagen/Rohde:
„PMDS als Herausforderung: Die Prämenstruelle Dysphorische Störung als schwerste Form des PMS“ (erschienen im Kohlhammer Verlag)