Schon davon gehört? Judith über „Normal People“ von Sally Rooney
Foto: Judith Beyer
In unserer Reihe „Schon davon gehört?“ teilen wir Bücher, Musik, Filme oder Serien, die uns persönlich berühren und von denen wir glauben, dass mehr Menschen sie kennen sollten, weil sie psychische Erkrankungen und mentale struggles greifbarer und verständlicher machen.
Normal People, der erfolgreiche Roman der irischen Autorin Sally Rooney, ist vielen wahrscheinlich längst bekannt. Nur etwa zwei Jahre nach Veröffentlichung des Buchs erschien eine Serienadaption, an der die Autorin ebenfalls mitwirkte und so ein noch größeres Publikum erreichte.
„No one can be independent of other people completely, so why not give up the attempt, she thought, go running in the other direction,
depend on people for everything, allow them to depend on you, why not.“
„Niemand kann völlig unabhängig von anderen Menschen sein. Also warum gibt man diesen Versuch nicht einfach auf, dachte sie, und verhält sich genau gegensätzlich. Mach dich in allem von anderen abhängig und lass sie auch von dir abhängig sein. Warum nicht?”
Die Geschichte handelt von der bewegten Beziehung der beiden Protagonist:innen Connell und Marianne. Sie wachsen in einer ländlichen Gegend des irischen County Sligo auf und ihre jeweilige Intelligenz ist auffällig. Doch da hören die offensichtlichen Gemeinsamkeiten bereits auf. Mariannes Familie ist materiell wohlhabend, emotional jedoch sehr arm. Connell wächst bei seiner alleinerziehenden, jungen Mutter auf, zu der er eine sehr innige Beziehung hat. Er ist in der Schule beliebt, hat viele Freund:innen. Marianne ist eine Außenseiterin und verbringt den Großteil ihrer Freizeit allein zuhause. Trotz dieser Unterschiede finden Connell und Marianne zueinander und beginnen eine heimliche Liebesbeziehung, die kurz vor Ende ihrer Schulzeit jedoch wieder endet. Beide ziehen weg und studieren am Trinity College in Dublin. Viele Monate später begegnen sie sich zufällig bei einer Party, beide verändert. Sie fangen nochmal von vorn an. Zunächst als Freund:innen, dann als Liebespaar, irgendwann wieder als Freund:innen, bis sie wieder ein Paar werden.
An dieser Stelle könnte man sich denken: Wow, das klingt alles ziemlich ungesund. Und das mag es teilweise auch sein. Doch das Besondere, was diese Geschichte schafft, ist, dass sie zeigt, welch eine Verbindung zwischen zwei Menschen bestehen kann, welchen Halt sie sich gegenseitig in der Welt geben können, ohne den sie verloren sein würden. Sie gehen miteinander durch Höhen und Tiefen, finden auf die eine oder andere Weise immer wieder zueinander, verzeihen einander teils schlimme Fehler, geben sich gegenseitig nicht auf.
Sally Rooney beschreibt in Normal People diverse Formen psychischer Schwierigkeiten, die Menschen erleben können. Marianne leidet unter der schlechten Beziehung zu ihrer Familie und dem Außenseiterin-Sein während der Schulzeit. In Beziehungen mit anderen Männern, offenbart sich ihr geringes Selbstwertgefühl. Connell struggelt mit seiner Identität, entwickelt während seiner Zeit am College eine Depression. Er wird schwer getroffen von dem Suizid eines Freundes aus der Schule in Sligo. Beide erleben immer wieder ein Verlorensein in der Welt. Und immer wenn wir als Rezipierende Trost erleben, dann weil die beiden Protagonist:innen es schaffen, sich gegenseitig zu halten.
Sowohl das Buch als auch die Serie sind emotional keine leichte Kost. Aber Sally Rooney schafft es, mentale Schwierigkeiten und psychische Krankheiten sehr sensibel zu beschreiben, uns nachfühlen zu lassen und gleichzeitig einen Einblick in eine besondere Beziehung zu kreieren, die uns alle Facetten des Menschseins zeigt. Die uns aber vor allem zeigt, wie wichtig es ist, gute Freundschaften und andere enge Beziehungen zu pflegen.
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Normal People von Sally Rooney | 2018 | zur Serie