Phil-osophie am Freitag
Heute ist Freitag! Das ist grundsätzlich schon mal eine schöne Sache.
Heute Morgen hat eine Kollegin mir eine Tafel Schokolade auf den Schreibtisch gelegt. Einfach so. Allerdings – das glaubt zumindest meine Frau – halte ich derzeit strenge Diät. Nun ist es ja so, dass es zum einen furchtbar unvernünftig wäre, so ein Stück Schokolade einfach liegen zu lassen, und zum andern auch gesellschaftlich völlig untragbar. Was soll die liebe Kollegin denn von mir denken? Dass ich Ihre Schokolade ablehne? Am Ende nimmt sie es noch persönlich und hält mich für arrogant!
Und dann denke man erst an dieses köstliche kleine Schokolädchen, dass sich besonders schick in bunt bedrucktes Papier gehüllt auf den Weg in die Regale der Supermärkte dieser Welt aufgemacht hat um Freude und Kalorien unter die Menschen zu bringen – und dann von einem „guten Vorsatz“, der sich keinerlei Mühe gegeben hat, ansprechend zu wirken – einfach so ausgebremst wird.
Ich fand also eine – meiner Meinung nach – sehr geschickte Lösung und verstaute die Schokolade, kurz nachdem ich mich artig bedankt habe, in meiner Schreibtischschublade. Ich plante, diese leckere Tafel feinster Milchschoki Stück für Stück in den nächsten Tagen zu essen. Doch diese Tafel ist penetrant. Sie ruft mich. Und zwar ziemlich laut. Aber als vernünftiger Mensch kann ich ihr natürlich widerstehen. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf meine Arbeit und verschwendete keinen Gedanken mehr an diese köstliche, warm schmelzende Mischung aus Zucker, Kakaobutter, Kakaomasse und Milchpulver.
Ist Ihnen bewusst, dass Schokolade gar nicht ungesund ist? In Maßen genossen zumindest. Ob eine ganze Tafel noch als „in Maßen“ durchgeht? Schokolade wirkt übrigens tatsächlich ähnlich wie ein Antidepressivum. Das ist für Wissenschaftler gar nicht so einfach zu erklären, aber Studien besagen, dass die leckere Süßigkeit neben Theobromin, das eine ähnliche Wirkung wie Koffein hat – also anregend wirkt – auch Stoffe enthält, die unseren Serotonin-Stoffwechsel beeinflussen. Schokolade macht also froh. Und ganz nebenbei schmeckt sie auch noch. Die alten Maya schätzten übrigens auch die aphrodisierende Wirkung… Da könnte ich also zu Hause behaupten: “Ja, Schatz, ich habe heute eine ganze Tafel Schokolade gegessen, aber das habe ich nur für uns getan!“. Blutdrucksenkend wirkt sie übrigens auch. Das wiederum könnte nach dem nächsten Meeting lebensrettend sein!
Bei dem ganzen Schmuddelwetter sind die Extrakalorien ja auch schnell verbrannt. Wegen des erhöhten Wärmebedarfes und so…. Unangenehmerweise lässt sich von Schokolade behaupten, dass sie je dunkler sie ist, umso gesünder wird. In Maßen. Blöderweise habe ich die Helle am liebsten. Manchmal darf sie sogar weiß sein!
Auch das ist völlig in Ordnung, denn Diskriminierung aufgrund der Farbe hat unserem Büro nichts zu suchen! Und da man viel reden kann, aber allein die Tat zählt, sollte ich vielleicht gleich einplanen, in der nächsten Woche auch die anderen farblichen Nuancen der Schokoladenfamilie auf den Speiseplan unseres Teams zu setzen! Wegen der Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit ist eine Tugend! Deshalb werde ich – ganz ohne dabei an mich zu denken – auch den anderen Verarbeitungsformen der Schokolade den ihnen gebührenden Platz einräumen!
Das bedeutet, dass auch Schokoladenkuchen, Schokoladeneis und Mousse au chocolat berücksichtigt werden! Mir soll keiner nachsagen, ich würde halbherzig oder mit wenig Energie für Gerechtigkeit sorgen! Nun hätte ich beinahe die Trinkschokolade vergessen. Meine Frau zeigte sich nur bedingt angetan, als ich ihr von meinem Begeisterungsschub für die Rechte, die Freiheit und die Gleichheit der Schokoladen berichtete. Auch die Argumente seitens der Wissenschaft wollte sie nur bedingt nachvollziehen. Sie ist und bleibt Anhängerin der Homöopathie. Kleinste Dosen für größte Wirkung – Das ist Ihre Überzeugung. Dem Argument, dass die liebe Schokolade es doch nur gut mit uns meint, konnte sie sich dann doch nicht verschließen. „Aber eigentlich“ sagte sie, hätte ich von Dir erwartet, dass Du einfach Oscar Wilde zitierst „Man sollte Versuchungen nachgeben, wer weiß, ob sie wiederkommen.“ Recht hat sie. Was gönnen Sie sich heute?
Ein sauschokoladiges Wochenende wünscht
Philipp S. Holstein
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Unser Kolumnist Dr. Phil ist auch bekannt als Autor Philipp S. Holstein und hat das Buch “Glücklich werden ohne Ratgeber. Ein Ratgeber” geschrieben.