Phil-osophie am Freitag
Heute ist Freitag. Das ist grundsätzlich schonmal eine schöne Sache.
Aber irgendwas hakt ja eigentlich immer. Bei mir ist es heute eigentlich eher banal.
Ich habe eine fiese Grippe. Erschwerend hinzu kommen aber in diesem speziellen Fall zwei Faktoren: 1. Ich bin ein Mann. Und Männer haben – das wissen vor allem die Damen unter den Lesern – eine sehr geringe Krankheitsfrustrationsgrenze. Ich leide. Und 2.: Ich muss eine Kolumne schreiben. Normalerwiese und in anderen Fällen habe ich so etwas mindestens eine paar Tage im Voraus vorbereitet. Heute jedoch nicht. Diese Woche bin ich jeden Tag so früh wie möglich ins Bett gegangen, um mich gegen die aufsteigende Grippe zu wehren.
Um es kurz zu machen: Es hat nicht geklappt und die blöde Grippe hat sich den perfekten Tag gesucht, um voll zuzuschlagen: den Freitag. Beim ersten Blick in den Spiegel heute morgen war mir sofort völlig klar, dass die Natur und ich deutlich unterschiedliche Vorstellungen von Humor haben. Gott sei Dank ist mir rechtzeitig der weise Ausspruch des französischen Schauspielers und Sängers Fernandel eingefallen „Man sollte schon deshalb kein langes Gesicht machen, weil man dann mehr zu rasieren hat“.
Und dann stellt sich wieder die Frage, wer eigentlich das Copyright auf diese „Misttage“ hat und warum man trotzdem scheinbar irgendwann ohne es zu merken ein Abo darauf abgeschlossen hat. Denn irgendwie scheinen die Dinger mit gewisser Regelmäßigkeit wiederzukommen und wenn ich mich umhöre, stelle ich jedesmal fest, dass es scheinbar fast allen anderen auch so geht. Welchen Sinn kann denn so ein Tag haben, an dem man sich morgens erstmal instinktiv nach dem LKW umschaut, der einen gerade überfahren haben muss?
An diesen Tagen wird einem – und das ist tatsächlich eine gute Sache – sofort klar, dass es ein blöder Tag ist. Interessanterweise ist das an guten Tagen meist nicht so. Vielleicht sind fiese Tage ganz gut, um zu verstehen, dass es deutlich mehr gute Tage gibt, als schlechte. Sonst würde es einem ja gar nicht auffallen. Und dann gibt es auch noch die dazwischen. Die, die nix dolles sind, aber auch nicht wehtun. Ich bin der Überzeugung, dass schlechte Tage eine gute Erfindung sind. Weil sie uns daran erinnern, wie gut die mittelmäßigen und wie fantastisch die guten sind!
Und weil Menschen so gerne vergessen, dass es auch anders laufen kann, als man es gerade erlebt, wurden die miesen Tage erfunden. Schon allein, um das Besondere der guten Tage hervorzuheben. Das „Miese-Tage-Abo“ war sozusagen vorinstalliert als wir das „Leben“ in Betrieb genommen haben.
Wie also nun damit umgehen? Zunächst mal scheint es klug, auf Marc Aurel zu hören, der schon vor über tausend Jahren sagte: “Es ist dumm, sich über die Welt zu ärgern, sie kümmert sich nicht drum“. Außerdem schlage ich vor, auch schlechte Tage voll auszukosten. Sie werden sich wundern, über welche Kleinigkeiten sie sich an den folgenden Tagen freuen können. Wie oft uns Dinge auffallen, die dann viel besser sind, als noch gestern. Ich muss dann an immer an meine Tante denken, die stets riet: „Wenn gar nix geht, kannst Du trotzdem immer zwei Sachen machen: Einen guten Eindruck und ein dummes Gesicht. Ersteres ist optional“. Ich freu mich schon auf morgen. Da werde ich beginnen, die Kolumne für nächsten Freitag vorzubereiten. Aber wir wissen ja alle, wie das mit Plänen so ist: „Leben ist das, was uns passiert, während wir etwas ganz anderes geplant haben.“ (Henry Miller)
Ein sauschönes Wochenende wünscht Dr.Phil!
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Unser Kolumnist Dr. Phil ist auch bekannt als Autor Philipp S. Holstein und hat das Buch “Glücklich werden ohne Ratgeber. Ein Ratgeber” geschrieben.